Medienrhetorik
Emojis im Social Media Marketing
Wie viele „smiling faces with heart-eyes“ sind noch professionell?
Inhalt
1. Texter:innen und Emojis: Geschichte einer Hassliebe
2. Warum verwenden wir Emojis in privaten Chats und Mails?
3. Welche kommunikativen Funktionen können Emojis besitzen?
4. Beispiele: Wie können Emojis im Branding und Marketing strategisch eingesetzt werden?
5. So finden Sie die richtigen Emojis für Ihr Social Media Marketing
6. Literaturempfehlungen
Weltweit werden täglich über sechs Milliarden Emojis versendet. Sie transportieren Informationen und Emotionen, funktionieren als eigenständige Botschaft oder als begleitende Textstütze und sind damit inzwischen elementarer Bestandteil beinahe jeder digitalen Kommunikation, die unterhalb eines gewissen Formalitätslevels stattfindet. Kaum verwunderlich also, dass die kleinen Bildzeichen längst Eingang in die Unternehmenskommunikation gefunden haben, um auch dort ihre Wirkung zu entfalten. Wie genau diese Wirkung aussehen kann und wie Sie das optimale Maß für Ihr Social Media Marketing finden, erfahren Sie im folgenden Artikel.
Dezember 11, 2020
Written by Carina D. Bukenberger
1. Texter:innen und Emojis: Geschichte einer Hassliebe
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Ich erinnere mich an ein Rhetorikseminar an der Uni Tübingen, Sommersemester 2012. Es war unheimlich warm und stickig in unserem kleinen, beinahe historisch anmutenden Seminarsaal, und doch war ich wahnsinnig froh, einen der begehrten Plätze bekommen zu haben. Denn die Dozentin war nicht nur eine renommierte Literaturkritikerin, sondern auch selbst erfahrene Autorin. Ihre bekannte, goldene Regel war: Wenn das letzte Wort eines Textes vorgelesen ist, hat der Autor oder die Autorin den Mund zu halten. Denn alles was er oder sie dann noch hinzufügen würde, müsste ja bereits im Text enthalten sein, wenn es denn wirklich wichtig wäre.
Ganz ähnlich sehen es heute noch viele Textschaffende, wenn es um den Gebrauch von Emojis geht: Ist die Botschaft nicht im Text enthalten, so ist sie entweder unwichtig oder der Text ist nicht gut. Ist ein Text also nicht in der Lage, ohne Emoji zu funktionieren, so muss der Text verbessert, und nicht mit zusätzlichen Bildzeichen angereichert werden. (Man stelle sich nur die zehn Gebote vor, eingemeißelt in eine gigantische Steintafel, mit einer neckischen symbolischen Zeichnung am Ende eines jeden Satzes.)
Doch Zeiten verändern sich und verändern gleichsam auch unsere Gewohnheiten. So mussten sich auch Texterinnen und Texter in den vergangenen Jahren wohl oder übel an den Gedanken gewöhnen, die eigenen Texte im Social Media-Bereich mit vorgefertigten Bildzeichen zu ergänzen und damit der eigenen Schöpfungskraft in gewisser Weise Grenzen einräumen.
Oder eröffnet sich mit der Ausweitung von Sprache auf Bildzeichen eine neue Welt mit unzähligen Möglichkeiten? Bietet sie uns gar die Chance, die Beziehung zur eigenen Kundschaft zu definieren und zu formen, ohne dass eine derartige Intention direkt aus dem Schrifttext hervorgeht? Quasi ganz nach dem alten Schreib-Grundsatz „Show, don’t tell.“?
2. Warum verwenden wir Emojis in privaten Chats und Mails?
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Der eigentliche und ursprüngliche Sinn von Emojis in der digitalen Kommunikation liegt darin, verbale und nonverbale Merkmale der gesprochenen Sprache zu kompensieren. Wir versuchen also, uns im digitalen Setting einer situativen Face-to-Face-Kommunikation anzunähern, um die Effektivität textbasierter Sprechhandlungen zu verbessern. Das kann nötig sein, da in der digitalen Kommunikation nicht nur Mimik und Gestik entfallen, sondern auch Gesprächspartikeln, Interjektionen, Intonationen und Sprechpausen. All diese Faktoren können einschränkend wirken, weshalb wir insbesondere in der Alltagskommunikation via Chat gern zu Kompensationsmitteln wie Emojis und Emoticons greifen: Sie können Aussagen bekräftigen, abschwächen oder gar eine implizite Botschaft in den Text einweben.
Jedoch endet deren Wirkungsraum hier noch lange nicht: Inzwischen sind viele Emojis so stark konventionalisiert, dass sie ein eigenes indexikalisches Potenzial besitzen. Sie sind also in der Lage, Sprache zu ersetzen. Für die empfangende Instanz gilt es dabei lediglich, anstelle von Text ein Bildschriftzeichen zu dekodieren, wobei es unter Umständen zu unterschiedlichen Interpretationen kommen kann. So werden beispielsweise in einzelnen Filterblasen häufig bestimmte Emojis mit ganz eigenen Bedeutungen aufgeladen, die außerhalb der Bubble nicht direkt erkannt werden können.
3. Welche kommunikativen Funktionen können Emojis besitzen?
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Der Begriff Emoji stammt aus dem japanischen und bedeutet Bildschriftzeichen. Dabei handelt es sich meist um Piktogramme, also um stark vereinfachte grafische Darstellungen, die der Informationsvermittlung dienen. Ein inzwischen vergleichsweise geringer Anteil der Emojis entfällt auf Ideogramme, wobei ein einzelnes Zeichen fest für eine bestimmte Begrifflichkeit steht, wie beispielsweise „%“ für „Prozent“. Das gemeine Emoji ist abzugrenzen vom Emoticon, welches reine Zeichenkombinationen bezeichnet („:-)“) und damit insbesondere im Social Media Marketing heutzutage als veraltet gilt.
Als textuelle und interaktionale Funktionen von Emojis können die folgenden Punkte genannt werden:
- Darstellung von Emotion, z.B. als Reaktion auf Inhalte
- Markierung einer bestimmten Interaktionsmodalität (Ludische Funktion)
- Strukturierung von Äußerungen – teilweise als Interpunktionsersatz oder als Rahmung*
- Markierung von Sprechakten, die eine soziale Funktion erfüllen sollen i.S.v. Beziehungsgestaltung
- Darstellung physischer Gegenstände oder Handlungen
*= Da per Chat häufig eine Art endloser Dialog geführt wird, entfallen hierbei sogenannte beziehungssensitive Anredeformen, die eine Kommunikation beispielsweise als tendenziell formell oder informell rahmen würden. Emojis können die Funktion dieser Anrede unter Umständen ersetzen oder gar ein gewisses Beziehungsangebot offerieren.
4. Beispiele: Wie können Emojis im Branding und Marketing strategisch eingesetzt werden?
Wir haben bereits festgestellt, dass Emojis äußerst vielfältig einsetzbar sind und inzwischen als fester Bestandteil der privaten Alltagskommunikation via WhatsApp, Signal und Co gelten. Doch welche Rolle spielen die kleinen Bildzeichen in der Öffentlichkeitsarbeit von Unternehmen und Institutionen?
Zunächst fällt auf: In der digitalen Unternehmenskommunikation entfallen gleich zwei wichtige Gründe für die Verwendung von Emojis: Zeitdruck und sprachliches Unvermögen. Schließlich sollten Werbetexterinnen und -texter doch genug Zeit und Talent besitzen, um ihre Aussage treffend in Worte zu kleiden, ohne zusätzlich auf Bildsprache ausweichen zu müssen.
Trotzdem arbeiten zahlreiche Unternehmen mit den kleinen Symbolbildern und sogar Branding Expert:innen raten dazu, direkt bei der Entwicklung der Corporate Identity einer Marke zwei bis vier CI-Emojis zu wählen, welche fester Bestandteil der Markenkommunikation werden sollen. Diese Emojis können sodann auf sämtlichen Social Media Plattformen wie Instagram, Facebook, Twitter, TikTok oder YouTube verwendet werden, um Wiedererkennungswert zu schaffen und die Bindung zur Zielgruppe zu stärken. Das funktioniert besonders gut, wenn die potentielle Kundschaft bereit ist, die CI-Emojis der Marke zu adaptieren und in eigenen Beiträgen (User Generated Content) in Verbindung mit der jeweiligen Marke zu verwenden.
Wie genau das in der Werbepraxis aussehen kann, zeigen die folgenden Beispiele.
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Beispiel: REWE
Das Lebensmitteleinzelhandelsunternehmen REWE nutzt Emojis im Social Media Marketing vorrangig, um das eigene kommunikative Angebot zusätzlich mit Emotionen aufzuladen. Das bietet sich im Bereich Lebensmittel gerade zu an, da sich hierbei alles um die Befriedigung menschlicher (Grund-)Bedürfnisse dreht und Menschen entsprechend offen für eine emotionale Ansprache sind. Dafür verwendet REWE vergleichsweise starke Bildschriftzeichen, die in der privaten Alltagskommunikation häufig nur im engeren Umfeld ihre Verwendung finden, wie beispielsweise „smiling face with heart-eyes“ oder „red heart“. Damit suggeriert das Unternehmen emotionale Nähe, betont die Innigkeit der Beziehung zur vorhandenen Kundschaft und macht potentiellen Neukundinnen und Neukunden ein Beziehungsangebot.
Die Entscheidung für „smiling face with heart-eyes“ ist hier besonders interessant, da dieses Emoji den Fokus der emotionalen Wirkung stärker auf die rezipierende Seite legt und damit unter Umständen die Entstehung von emotionalem Involvement begünstigen kann.
AMORELIE: Emojis als emotionale Knautschzone?
Beispiel: AMORELIE
Wie bereits erwähnt, entfallen in der digitalen Schriftkommunikation häufig beziehungssensitive Anredeformen, welche für die korrekte Interpretation einer Aussage durchaus entscheidend sein können. Stattdessen bietet sich hier jedoch die Möglichkeit, entsprechende Emojis zu nutzen, welche die Beziehung einer Marke zur Kundschaft näher definieren oder einer Aussage eine gewisse Färbung verleihen. So nutzt auch AMORELIE Emojis dazu, um die Tonalität der getätigten Aussagen subtil zu beeinflussen. Es finden hier vorrangig Emojis Verwendung, welche das Thema insgesamt harmloser und damit massentauglicher wirken lassen.
Damit können Emojis auch in gewisser Weise die „Teilbarkeit“ eines Posts beeinflussen, da sich durch eine Abschwächung der Aussage häufig deutlich mehr Menschen damit identifizieren können und entsprechend bereit sind, soziale Kontakte darunter zu verlinken und auf Basis des Posts eine privat-öffentliche Kommunikation innerhalb der Kommentarspalte anzustoßen.
POLIZEI Baden-Württemberg: Storytelling in Text und Bild
Beispiel: POLZEI Baden-Württemberg
Die Polizei Baden-Württemberg zeigt auf ihrem offiziellen Instagram-Account, wie kleine Narrative von visuellen Stützen profitieren können, ohne dass die eigentliche Aussage in der Tonalität zu stark beeinflusst wird. So auch im hier gezeigten Beispiel-Post: Der als Emoji abgebildete Streifenwagen stützt in gewisser Weise den durch den Hashtag „Streifenwagen“ aufgerufenen Allgemeinplatz , der im Gesamtkonstrukt des Hashtags „Weihnachtsbäckerei“ in Kombination mit der doppeldeutigen Verwendung von „Plätzchen“ (in Text und Bild), als Interpretationshilfe dient.
Emojis werden hier also vorrangig ergänzend genutzt, während die Komik der Posts im Text bzw. im Foto selbst begründet liegt. Damit kann das Risiko möglicher Missverständnisse effektiv gesenkt werden, da ein vergleichsweise enger Interpretationskorridor vorgegeben wird.
Entsprechend gut eignet sich diese Form der Emoji-Nutzung für öffentliche Einrichtungen und Institutionen, die sich mit ihren Veröffentlichungen an eine besonders breite Zielgruppe richten, also von Menschen mit ganz unterschiedlichem Background und entsprechend unterschiedlichen Deutungspräferenzen korrekt verstanden werden müssen.
Doch eine kleine Kritik muss sich auch die Polizei gefallen lassen:
Der Account verwendet pro Post zwischen 20 und 30 Hashtags, rangiert also eindeutig in einem Bereich, in welchem die Hashtags keinen inhaltlichen Mehrwert zum eigentlichen Beitrag liefern, wie beispielsweise in den Posts von AMORELIE, sondern einzig der Gewinnung von Reichweite dienen. Entsprechend wäre es hier definitiv eine Überlegung wert, die Hashtags nicht in den Beitragstext zu integrieren beziehungsweise den Posttext mit einer unattraktiven Hashtag-Liste enden zu lassen, sondern sie als Kommentar in den Post einzupflegen.
VOLKSWAGEN: Bloß nicht übertreiben (auf Instagram).
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Beispiel: VOLKSWAGEN
Dieses Beispiel beweist, dass längst nicht allen Marken das bunte Emoji-Treiben gut zu Gesicht steht: VW überzeugt auf Instagram mit prägnant formulierten Texten, die ganz ohne zusätzliche Bildzeichen auskommen. Das funktioniert in diesem Fall relativ gut, da das Markenimage von VW insbesondere nach dem Dieselskandal nach wie vor von klarer und ehrlicher Kommunikation profitiert. So verzichtet das Unternehmen auf Instagram komplett auf Emojis, während sich auf Twitter jedoch immer wieder einzelne Posts finden, die gleich vier oder mehr Bildschriftzeichen im Text verwenden. Diese Verteilung ist deshalb so erstaunlich, da Unternehmen auf Instagram häufig eine jüngere – und damit Studien zu Folge eine emoji-affinere Zielgruppe – ansprechen, während sich auf Twitter tendenziell eher Menschen versammeln, die sich für Sprache interessieren und sich daher bewusst für den Konsum von Informationen über diese Plattform entschieden haben. Wieso VW also gerade auf Instagram so konsistent auf den Verzicht beharrt, während parallel dazu auf Twitter in Emojis geschwelgt wird, erschließt sich uns nicht.
5. So finden Sie die richtigen Emojis für Ihr Social Media Marketing
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Mittlerweile gilt ein Emoji-Konzept beinahe als konstitutives Merkmal einer jeden guten Social Media-Strategie. Das bedeutet, dass Ihre Social Media Agentur zu Projektbeginn gemeinsam mit Ihnen die Tonalität und vor allem das Ziel Ihrer Werbemaßnahmen bespricht und das Konzept entsprechend strategisch ausrichtet. Empfehlenswert ist in der Regel, sich als Marke auf ein festes Repertoire von Emojis festzulegen, die untereinander harmonieren und als Teil der individuellen Corporate Identity fungieren können. Die Quantität sollte dabei auf die jeweilige Post-Länge angepasst werden, um ein angemessenes Gleichgewicht zwischen Text und Bildschriftzeichen sicherzustellen.
Welches genaue Maß hier für Ihre Marke das richtige ist, hängt von vielfältigen Faktoren ab, wie beispielsweise dem durchschnittlichen Alter der Zielgruppe, der zu bewerbenden Thematik sowie der allgemeinen Markenidentität. Gern beraten wir Sie individuell, welche Emojis optimal zu Ihrem Markenimage und Ihrer Zielgruppe passen und in welcher Form Ihr Social Media Marketing von einer strategischen Emoji-Verwendung profitieren kann.
6. Literaturempfehlungen
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Döring, Nicola (1999): Sozialpsychologie des Internet. Die Bedeutung des Internet für Kommunikationsprozesse, Identitäten, soziale Beziehungen und Gruppen. Hogrefe.
Imo, Wolfgang (2015): Vom ikonischen über einen indexikalischen zu einem symbolischen Ausdruck? Eine konstruktionsgrammatische Analyse des Emoticons :-). In: Brücker, J., Günthner, S., Imo, W. (Hrsg.): Konstruktionsgrammatik. 133-162.
Pappert, Steffen (2020): Zu kommunikativen Funktionen von Emojis in der WhatsApp-Kommunikation. Walter de Gruyter.
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