Medienrhetorik

 Emotional Content Marketing

Wie funktioniert die Arbeit mit Emotionsräumen im Content Marketing?

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Content Marketing soll gezielt Emotionen wecken und die Zielgruppe zur Interaktion mit einer Marke bewegen. Das funktioniert am besten, wenn allen Beteiligten klar ist, welche Emotionen die Marke verkörpert und - vor allem - welche Bedürfnisse mit den Inhalten angesprochen werden sollen. Wie diese Art des strategischen Emotionsmanagements funktionieren kann, zeigen wir im folgenden Artikel.

Oktober 5, 2021

Written by Carina D. Bukenberger

Rhetorik M.A.

1. Welche Rolle spielen Emotionen im Content Marketing?

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Jeder Mensch, der Medien nutzt, wird pro Tag schätzungsweise mit bis zu 13.000 Werbebotschaften bombardiert. Das sind verdammt viele, die allesamt versuchen, Einfluss auf die Konsumentscheidungen dieses Menschen zu nehmen. Und irgendwie scheint das ja zu funktionieren, sonst wären zahlreiche Marken wohl schon längst vergessen. Aber wie?

Erfolgreiche Marken überzeugen nicht durch Fakten, sondern – wer hätte es geahnt – durch Emotionen. Denn: Rund 95 Prozent aller Entscheidungen haben nichts mit rationalen Überlegungen zu tun. Entsprechend erfolgsentscheidend ist gutes Emotionsmanagement, das einen dieser 13.000 täglichen Touch Points zu einem einzigartigen, unvergesslichen Berührungspunkt werden lässt. 

Dabei ist es besonders wichtig, dass allen Beteiligten klar ist, in welchem Emotionsraum die Marke zu positionieren ist und welche Bedürfnisse über die bereitgestellten Inhalte konkret targetiert werden sollen. Denn nur, wenn alle Bereiche auf emotionaler Ebene harmonisch ineinandergreifen (von der Markenausrichtung über das Design bis hin zur direkten Kommunikation mit der Kundschaft), kann ein wirklich ganzheitliches Markenbild entstehen, das im anvisierten Emotionsraum seine volle Wirkungskraft entfaltet. Welcher Emotionsraum das für die eigene Marke sein kann, welche Bedürfnisse exakt damit verknüpft werden und welchen Content wir liefern müssen, um diese zu befriedigen, schauen wir uns jetzt an.

2. Die drei Grundemotionen: Balance, Dominanz und Stimulanz

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Grundemotion klingt wie Grundfarben? Genau! Ganz ähnlich wie aus den drei Grundfarben Rot, Gelb und Blau alle anderen Farben gemischt werden können, lassen sich nach dem Limbic-Modell von Häusel (2005) auch aus den drei Grundemotionen alle anderen Emotionen „mischen“. Diese drei Grundemotionen sind Balance, Dominanz und Stimulanz. Sie können in ganz unterschiedlichen Intensitäten sowie positiv oder negativ ausgeprägt sein. Daraus ergibt sich nach Borschart/Monschein das folgende Modell:

Eigene Grafik zum Motiv- und Emotionssystem basierend auf Häusel (2005) und Broschart/Monschein (2017).

Genau hier setzen Marketingstrategien an, die gezielt die Pain Points der Zielgruppe treffen möchten: Sie erinnern die Zielgruppe zunächst daran, dass sie in den Bereichen Balance, Dominanz oder Stimulanz eine Form von Unlust verspüren: Unsicherheit, Angst, Stress, Ärger, Wut, Machtlosigkeit oder Langeweile. Im Anschluss wird direkt eine Lösung präsentiert, wie das daraus entstandene Bedürfnis befriedigt werden kann.

Ein Beispiel:

Sodastream GmbH: „Einfach sprudeln statt schwer schleppen.“
In der TV-Werbung 05/2021 ist ein Mann zu sehen, der unter größter Anstrengung vier Sixpacks 1,5-Liter-Wasserflaschen eine Treppe hochträgt. Das Produkt verspricht, diesen Stress zu minimieren.

Emotionen als Filter

Wer schon einmal geliebt oder gehasst hat, weiß vermutlich: Extreme Emotionen können dazu führen, dass Informationen und Details, die nicht in das aktuelle Gefühlsbild passen, vom Gehirn ausgeblendet werden. Emotionen können also wie ein Filter wirken, der bestimmte Einflüsse von unserem Bewusstsein fernhält. Das dient der Reizreduktion, da wir schlicht nicht in der Lage sind, alle möglichen Gefühlszustände gleichzeitig zu fühlen.

Ähnliche sensorische Filter, die uns für gewisse Informationen blind machen, greifen laut Broschart/Monschein jedoch auch bei Marken und Produkten: Wer von einer Marke überzeugt ist, blendet tendenziell häufiger aus, dass das Unternehmen beispielsweise die Angestellten ausbeutet oder nur wenig nachhaltig arbeitet. Entsprechend kann es eines der Ziele im Markenaufbau sein, ein solches Verliebtheitsgefühl zu evozieren. Und das gelingt mit unter durch das gezielte Targetieren von Bedürfnissen, die wiederum mit bestimmten Emotionsräumen verknüpft sind.

3. Welche Bedürfnisse ergeben sich aus den drei Grundemotionen?

Im nächsten Schritt wollen wir die Bedürfnisse analysieren, die sich aus den menschlichen Grundemotionen heraus entwickeln können. Nach dem Limbic-Modell von Häusel sowie dem Motivationsmodell von Broschart/Monschein ergeben sich daraus – vereinfacht dargestellt – diese Bedürfnis-Säulen:

Eigene Grafik zum Motiv- und Emotionssystem basierend auf Häusel (2005) und Broschart/Monschein (2017).

Diesen Theorien zufolge existieren also sechs konsumbasierte Grundbedürfnisse, die für das strategische Emotionsmarketing oder gar Neuromarketing besonders relevant sind:

  1. Bedürfnis nach Stabilität
  2. Bedürfnis nach Planbarkeit
  3. Bedürfnis nach Leistung
  4. Bedürfnis nach Herausforderung
  5. Bedürfnis nach Neuem/Besonderem
  6. Bedürfnis nach Unterhaltung

In diese Liste lässt sich nahezu jede Marke einsortieren – mal mehr, mal weniger eindeutig. Hier steht natürlich die These im Raum, dass eine Marke dann besonders erfolgreich ist, wenn sie von der Zielgruppe intuitiv und eindeutig einem bestimmten Bedürfnis zugordnet werden kann.

FYI: Wir leiten aus diesen konsumbasierten Grundbedürfnissen hier keine Persönlichkeitstypen ab, da wir davon ausgehen, dass jeder Mensch zu verschiedenen Zeitpunkten diese Bedürfnisse empfinden, ohne dass dies konkret am Charakter festgemacht werden kann oder sollte. Wer sich dennoch gern mit Typenauflistungen beschäftigt, findet diese in zahlreichen anderen Werken, beispielsweise bei Keller/Ott (2017).

 4. Wie können die konsumbasierten Grundbedürfnisse mit SEO Content konkret targetiert werden?

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Wird im Marketing gezielt mit Bedürfnissen (also mit Emotionen) gearbeitet, so gilt es die Zielgruppe ab der ersten Sekunde in ein konkretes Gefühls-Setting einzuladen. Diese eindeutige Einladung spielt online wie offline eine extrem wichtige Rolle, weshalb sich das Vorgehen in der SEO Content Creation in diesem Bereich häufig kaum von der Arbeit im klassischen Marketing unterscheidet.

Ein besonders vielfältiges Segment ist die Süßwaren- und Snackabteilung, die uns hier mit verschiedensten Slogans einige Beispiele dafür liefert, wie in ein und derselben Produktsparte komplett unterschiedliche emotionale Markenausrichtungen funktionieren können.

 

1. Die Zielgruppe hat ein Bedürfnis nach Stabilität.

AUGUST STORCK KG, Werther’s Original: „Seit über 100 Jahren ist Karamell unsere Leidenschaft.“

Josef Manner & Comp AG, Manner: „Süßwarengeschichte aus Österreich. In über 130-jähriger Familientradition werden alle Süßwaren in Österreich nach Originalrezepturen mit besonderer Sorgfalt hergestellt.“

Katjes Fassin GmbH + Co.KG, Ahoj-Brause: „Unsere prickelnden Klassiker sind vielleicht nicht neu, aber was schon seit so vielen Generationen geliebt wird, muss ja schließlich gut sein!“

2. Die Zielgruppe hat ein Bedürfnis nach Planbarkeit.

AUGUST STORCK KG, Knoppers: „Ob für die Pause, zum Anbieten oder als Familienvorrat – Knoppers gibt es für jede Gelegenheit in der passenden Größe.“

3. Die Zielgruppe hat ein Bedürfnis nach Leistung.

KoRo Handels GmbH, Bio Energy Ball: „Täglich grüßt das Nachmittagstief und die Konzentration fällt schwer. Aber keine Sorge, wir haben jetzt den ultimativen Energiekick in unserem Sortiment: World’s First Energy Balls gefüllt mit Nussmus!“

4. Die Zielgruppe hat ein Bedürfnis nach Herausforderungen.

Alfred Ritter GmbH & Co. KG, Ritter Sport: „Je nach Temperament [Verpackung] hier aufknicken oder dort aufziehen.“

5. Die Zielgruppe hat ein Bedürfnis nach Neuheiten und Besonderem.

Lindt & Sprüngli GmbH, HELLO: „Ich bin ein Cheesecake, der nicht krümelt. Ich bin Nougat, das cruncht. Und Karamell mit einem Hauch Salz.“

6. Die Zielgruppe hat ein Bedürfnis nach Unterhaltung.

PEZ International GmbH, PEZ Spender: „Seit 1962 begeistern die bunten PEZ Spender mit verschiedensten Gesichtern und erobern seither die Welt. Wir bemühen uns jedes Jahr aufs Neue die Top Themen als Spender umzusetzen.“

Ferrero Deutschland GmbH, Kinder Überraschung: „Die Neugier beim Auspacken, die leckere Schokolade und die Freude auf das Spielzeug.“

 

 

TIPP: Die rhetorische Stilregel der Perspicuitas (Klarheit) gilt auch hier: Doppeldeutigkeiten in der emotionalen Ausrichtung der Marke sind zu vermeiden. Die Kontrolle über die strategische Ausrichtung der Marke steht in jedem Fall an erster Stelle, sodass im Zweifel eher auf einen witzigen Slogan verzichtet werden sollte, der die Gefahr einer Fehldeutung birgt. Das gilt insbesondere, wenn die Zielgruppe sehr breit ist und zumindest ein Teil davon voraussichtlich nicht in der Lage sein wird, das entsprechende Statement als eine Art von Sonderkommunikation zu erkennen.

5. Welche Plattformen eignen sich für welche Emotionsräume?

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Wir haben also festgestellt, dass Inhalte Emotionen wecken und damit Bedürfnisse auslösen können. Auch wissen wir seit McLuhan, dass Medien in der Lage sind, Inhalte unter anderem in ihrer emotionalen Wirkung auf die Rezipierenden zu beeinflussen. Entsprechend kann es zu Problemen kommen, wenn die Polizei Berlin live und teilweise ironisch über Einsätze twittert, eine renommierte Detektei kecke Facebook-Posts mit Bildern der Ermittler:innen veröffentlicht und ein Bestattungsinstitut via True-Crime-Podcast wirbt. Denn: Das Medium muss zur Marke und dem anvisierten Emotionsraum passen. Sonst kann es passieren, dass sich die teilweise entgegengesetzten Markenversprechen gegenseitig aushebeln.

So beispielsweise auch im Fall der Detektei (wir verzichten hier auf die Verlinkung), die mit höchster Seriosität und brillanten verdeckten Ermittlungen wirbt, dann aber die Gesichter der Angestellten öffentlich präsentiert. Während also eigentlich im Bereich Sicherheit, Leistung und Planbarkeit gearbeitet wird, soll die Werbebotschaft im Bereich Unterhaltung, Besonderes und Überraschendes funktionieren. Doch, mal ehrlich: Wer möchte von einer Detektei, der Polizei oder einem Bestattungsinstitut unterhalten und überrascht werden?

So gilt es – sofern unbedingt ein Medium genutzt werden soll, das nicht zum eigentlichen Emotionsraum der Marke passt – diesem Konflikt über die geteilten Inhalte strategisch entgegenzuwirken, um den Rezipierenden eine eindeutige Differenzierung zu ermöglichen.

Eigene Grafik zum Motiv- und Emotionssystem basierend auf Häusel (2005) und Broschart/Monschein (2017)

Literaturempfehlungen:

Hans-Georg Häusel: Think Limbic! Die Macht des Unbewussten nutzen für Management und Verkauf. 5. Auflage. Haufe, 2005.

Bernhard Keller, Cirk Sören Ott: Touchpoint Management: Entlang der Customer Journey erfolgreich agieren. Haufe-Lexware, 2017.

Steven Borschart, Rainer Monschein: Der Content Faktor: Schreiben Sie Texte, die gefunden und gelesen werden. Franzis Verlag, 2017.

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