Medienrhetorik
Rhetorische Designtheorie: Die rhetorische Funktionsweise gestalterischer Mittel
Wenn Produkte unsere Emotionen und Bedürfnisse wecken, so geschieht dies einzig und allein durch ihre persuasive Kraft, die von uns entweder als solche erkannt wird oder nicht. Also wie muss ein Objekt gestaltet sein, dass es seine volle rhetorische Wirkungskraft entfaltet?
Mai 23, 2018
Written by Carina D. Bukenberger
1. Kommunikationsdesign 2.0?
Wie gestalterische Mittel die menschliche Kommunikation beeinflussen
Auch visuelle Kommunikation ist in Sprache gebettet und findet immer vor einem sprachlichen Hintergrund statt – explizit oder implizit. Somit wohnt allen von Menschenhand gestalteten Objekten irgendeine Form von Kommunikation oder sprachlichem Substrat inne. Wenn Produkte also unsere Emotionen und Einstellungen beeinflussen, so geschieht dies einzig und allein durch ihre persuasive Kraft, die von uns eben entweder als solche erkannt wird oder nicht. Obwohl gestalterische Mittel eine eigene Aussagekraft besitzen, kann natürlich nicht davon ausgegangen werden, dass Menschen mit Objekten in derselben Weise interagieren wie mit Worten. Bei der Gestaltung von Objekten treten stattdessen verbale und visuelle Komponenten in Wechselwirkung.
Aristoteles unterschied vier Arten der Überzeugung für die gesprochene Rede: Logos, Ethos, Pathos und Kairos. Da das Kairos (gr.: der richtige Zeitpunkt) im Design selten eine Rolle spielt, konzentrieren wir uns auf die übrigen Drei. Diese lassen sich nach den Modellen von Buchanan wie folgt auf die Designtheorie übertragen:
Ein Werk, das schweigt und die immer gleiche Haltung zeigt, kann so tief in unsere innersten Gefühle eindringen, dass es selbst die Macht des gesprochenen Wortes übertrifft.
Quintilian
Aus Gründen einer verbesserten Lesbarkeit wird im folgenden Text das generische Maskulinum verwendet. Dies beinhaltet keinerlei Wertung und schließt sämtliche Geschlechteridentitäten mit ein.
2. Die Elemente der rhetorischen Designtheorie
nach richard Buchanan
I. Logos
Der Appell an die Vernunft und das technologische Herzstück des Design-Arguments.
Definition: Logos
Dies basiert auf Bedingungen, die von menschlichen Gegebenheiten abhängen, wie den Wertvorstellungen der User oder den physischen Umständen der letztendlichen Gebrauchssituation. Von Menschen gestaltete Objekte sind damit eine sichtbare Manifestation ihres eigenen Ursprungs und ihres praktischen Nutzens.
II. Ethos
Ein Appell an das Vertrauen, der Usern erlaubt, sich mit Objekt und Oratorinstanz zu identifizieren.
Definition: Ethos
Dabei müssen sich Ethos und Logos nicht zwangsläufig aufeinander beziehen, wenn zum Beispiel etwas so Simples wie ein Etikett genutzt wird, um Charaktereigenschaften zu kommunizieren. Besser wirken jedoch Mittel, die den gesunden Menschenverstand ansprechen, die Tugendhaftigkeit kommunizieren und Goodwill gegenüber dem Publikum zeigen.
III. Pathos
Ein Appell an die Emotion, der das Interesse der User wecken und Empathie hervorrufen soll.
Definition: Pathos
Erfahren wir Bewegungen mit einem Objekt, so entstehen unweigerlich Emotionen. Dabei haben beispielsweise Handbewegungen oder die Bewegungen unseres Blicks, wenn er Umrisse, Formen und Farben des Objekts erfasst, denselben Effekt. Und eben dieser macht das emotionale Argument von Design so wirkungsstark: Die Entfernung zwischen dem Geist des Users und dem Objekt wird aufgehoben, was erlaubt, dass sich der Mensch mit der expressiven Dynamik des Objekts identifizieren kann.
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3. Kontext und Konventionen in der Mediengestaltung
Gestalterische Anknüpfungspunkte bieten
Der Gebrauch von visuellen Konventionen, die die kollektiven Erwartungen des Publikums erfüllen, wirken entlastend auf den User: Gewohnte Muster stabilisieren das Gesamtdesign und mindern den interpretativen Aufwand, den der Adressat zu leisten hat.
Gutes Design arbeitet deshalb mit Ankern: Wir bieten dem Publikum rhetorische Anhaltspunkte in einem Meer aus hermeneutischen Unklarheiten und Möglichkeiten. Erst wenn der User die Bildsprache versteht und in seiner Lebenswelt verorten kann, funktioniert zielgerichtete visuelle Kommunikation. Somit steht dem strategisch kommunizierenden Designer eine Vielzahl rhetorischer Werkzeuge zur Verfügung. Deren Auswahl hängt vom Zweck des jeweiligen Designobjekts ab, sowie dem wahrnehmungsbedingten, historischen und sozialen Kontext, in dem es der Zielgruppe präsentiert wird.
Despite the continuing role of massproduction in many societies, the task is to design for the individual placed in his or her immediate context.
Richard Buchanan
4. Inhalt vor Design
Rhetorisches Design ist ein Prozess, in dem situationsvariable Vorgaben kontinuierlich neu definiert werden. Es gilt das Design und die damit verbundene Formensprache optimal auf die Zielgruppe und die entsprechende Situation auszurichten und gestalterische Anknüpfungspunkte zur Lebenswelt der Adressaten zu bieten. Gleichzeitig achten wir auf die klassischen rhetorischen Prinzipien wie Angemessenheit und Klarheit (aptum und perspicuitas), sodass der Inhalt nie hinter dem Design zurücktreten muss.
Nach wie vor ist das Thema „Rhetorik und Design“ in der Literatur noch schwach vertreten, mangelt es doch auch an einem allgemeinen gesellschaftlichen Diskurs, der sich mit den Techniken der Medien dezidiert auseinandersetzt. Wer sich dennoch weiter in dieses spannende Themenfeld einarbeiten möchte, dem empfehlen wir beispielsweise die Seite designrhetorik.de, welche wissenschaftliche Essays und Interviews von und mit renommierten Sprachwissenschaftlern, Publizisten und Philosophen zum Thema rhetorisches Design bereitstellt.
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Quellen und Literaturempfehlungen
Marcus Fabius Quintilianus: Institutio oratoria (Ausbildung des Redners). Herausgegeben und übersetzt von Helmut Rahn, 1998. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Buch 11, Kap. 3. 67.
Buchanan, R.: Branzi’s Dilemma: Design in Contemporary Culture. In: Design Issues, 1998, 14.1. S.20.
Joost, Gesche; Scheuermann, Arne (Hg.): Design als Rhetorik. Basel, 2008.
Besonderer Dank gilt meinen Professoren Dr. Joachim Knape und Dr. Olaf Kramer.
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