Medienrhetorik

Identitätsbasiertes Marketing

Wertebotschaft statt Werbebotschaft

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Wie funktioniert Marketing auf Basis der eigenen Markenidentität? Nike, Apple und Co. machen es vor und profitieren von einer gigantische Strahlkraft, die sich auf sämtliche Produkte der Marke überträgt. Im folgenden Artikel nehmen wir ihre Marketingstrategien unter die Lupe.

Februar 28, 2019

Written by Carina D. Bukenberger

Rhetorik M.A.

1. Selbstbild, Fremdbild und der Supreme Clay Brick

D ie Ausrichtung des Marketings an der eigenen Identität ist ebenso nahe liegend, wie komplex. Große Marken machen es vor: Die Identitäten von Nike, Apple und Co. besitzen eine gigantische Strahlkraft, die sich auf sämtliche Produkte der Marke überträgt. Bisher legendärstes Beispiel und eine geniale identitätsbasierte Kampagne ist der „Supreme Clay Brick Red“: Ein roter Ziegelstein des Modelabels Supreme für rund 130€. Bis eine Marke jedoch in der Lage ist, sogar auf derart ironische Weise Produkte erfolgreich zu platzieren, ist es ein weiter Weg. Und dieser Weg beginnt bei der Markenidentität, also dem Selbstbild der Marke aus Sicht des Unternehmens. Diese Identität umfasst sämtliche wesensprägenden Merkmale, die auch für das Fremdbild der Marke essenziell sind. Erst wenn eine eindeutige Markenidentität vorhanden ist, lassen sich daraus auch Richtwerte für die Kommunikation mit externen und internen Anspruchsgruppen ableiten. 

Im Folgenden möchten wir also herausfinden, wie genau die Abhängigkeit von erfolgreicher Unternehmenskommunikation und der Markenidentität ausgestaltet ist. Welche Werte können direkt kommuniziert werden, welche sollten im Fokus stehen und wie beeinflussen diese das Image?

Wie können Unternehmen das Selbstbild und Fremdbild der eigenen Marke positiv beeinflussen oder gar gezielt ausformen? Zuerst und zuvorderst gilt es Anknüpfungspunkte zu bieten: Wir bereiten die Markenidentität also dergestalt auf, dass Gefühlswelten und Erlebnisse von externen Adressatengruppen unmittelbar mit dem Markennamen in Verbindung gebracht werden können. Interne Anspruchsgruppen bestehen aus den Angestellten eines Unternehmens, die selbst die Markeneigenschaften verkörpern oder sie in ihr Handeln und Denken einfließen lassen. Die Mitarbeitenden sind häufig ein wichtiger Kontaktpunkt in der Kommunikation, welcher die Positionierung der Marke entscheidend beeinflusst. 

2. Rhetorisches Imagemanagment im identitätsbasierten Marketing

D ie Identität einer Marke dient in erster Linie der Vermittlung von Glaubwürdigkeit, Vertrauen, Verlässlichkeit und einer konstant guten Qualität. Sie kann vom Unternehmen aktiv geformt werden, spiegelt also das Selbstbild wieder. Dieses prägt wiederum das Markenimage, welches von den Konsumierenden großteils interpretativ erschlossen wird. Um diese Interpretation so einprägsam wie möglich zu gestalten, muss eine überzeugende Basis vorhanden sein: Die Markenidentität. Für diese ist unter anderem die Herkunft einer Marke besonders interessant, sowohl kulturell und regional als auch institutionell.

Es gilt dafür die zentralen Eigenschaften der Marke und sog. „Heritage Values“ der eigenen Historie zukunftsorientiert aufzubereiten. Bewährtes Mittel, um die selbst gewählte Identität einer Marke in ein allgemein anerkanntes Image umzumünzen, ist die medienwirksame Positionierung. Diese Positionierung dient der Ausformung eines unverkennbaren Profils anhand einiger weniger Merkmale, welche die Marke eindeutig von der Konkurrenz unterschieden. Bereits hier kann der USP (unique selling point) direkt in die Kommunikation mit einfließen. Je besser diese identitätsbasierte Kommunikation gelingt, desto schärfere Konturen hat später das Markenimage.

Entsprechend gilt die Markenidentität als Rahmen oder Basis für sämtliche kommunikativen Maßnahmen. Die Markenpositionierung ist vom Involvement der Zielgruppe unabhängig und daher geradezu dafür prädestiniert, selbst bei flüchtiger Wahrnehmung einen klaren Eindruck zu hinterlassen.

Um eine überzeugende Markenidentität zu entwickeln, orientieren wir uns zunächst an den Wurzeln des Unternehmens. Denn wer nicht weiß, woher er kommt, weiß auch nur selten, wohin er gehen möchte bzw. kann. Jedoch sollten sich die zu kommunizierenden Werte nicht allein an der Vergangenheit orientieren, sondern auch die aktuellen Entwicklungen am Markt berücksichtigen. Hier besteht einerseits die Gefahr einer Erstarrung der Marke, sollte sie zu sehr an den „Heritage Values“ orientiert sein, andererseits kann ein zu rasches Entfernen von alten Werten zu einer Verwässerung des Images führen.

Um Selbst- und Fremdbild optimal in Einklang zu bringen, gilt es eher unwichtige Merkmale herauszufiltrieren und ersatzlos zu streichen. Denn hier ist weniger mehr: Insbesondere soft facts, wie emotionale Werte, Farben oder gar haptische Eindrücke sollten ein unmissverständliches Gesamtbild ergeben.

 

Je größer die Übereinstimmung von Selbst- und Fremdbild, desto stärker ist der Effekt.

Die Markenidentität sollte nicht „nebenbei“ von der Marketingabteilung entworfen werden. Sie ist der Kern des gesamten Unternehmens, der Unternehmenskommunikation und letztendlich ausschlaggebend für die Arbeitsplatzsicherheit sämtlicher Arbeitnehmer:innen eines Unternehmens. Entsprechend ist die Markenidentität zumindest in ihren Grundzügen von der Geschäftsleitung zu erarbeiten, um später wirksam durch die gesamte Hierarchie des Unternehmens sickern zu können und nicht nur als hohle Phrase auf der Homepage zu stehen.

Die gemeinsame Identität sollte von jedem einzelnen Mitarbeitenden mit jeder Faser gelebt werden, sobald er für das Unternehmen tätig wird.

3. Die Entwicklung einer medienwirksamen Markenidentität

Das sog. Markensteuerrad nach Esch ist ein beliebtes Werkzeug, das einen raschen Einstieg in das eigene identitätsbasierte Marketing ermöglicht. Hier werden hard facts, wie Eigenschaften und funktionalem Nutzen, von soft facts, wie Emotionen und psychosozialem Nutzen, unterschieden. Auf diese Weise entsteht die Markenidentität und die eigentliche Markenkompetenz als Kondensat aus folgenden vier Bereichen:

hard facts

soft facts

%

Markenattribute

Eigenschaften des Unternehmens, der Produkte oder Dienstleistungen

%

Markennutzen

Funktionaler und psychosozialer Nutzen der Marke

%

Markentonalität

Emotionen und Charaktermerkmale die mit der Marke verknüpft werden sollen

%

Markenbild

Visuelle, auditive, haptische, olfaktorische und gustatorische Merkmale

4. Markenidentität in der internen und externen Unternehmenskommunikation

Interne Kommunikation

Um auch innerhalb eines Unternehmens die eigene Identität wirksam zu implementieren, gilt es zunächst bei den Mitarbeitenden ein fundiertes markenbezogenes Wissen aufzubauen. Um sich mit der Marke zu identifizieren, genügt bereits eine positive Einstellung, gegenüber der wesensprägenden Werte. Langfristig gesehen erzeugt eine solche persönliche Identifikation Bindung an die Marke und das Unternehmen, was markenkonformes Verhalten fördert. Dafür ist häufig eine intensive Kooperation von Marketing und Personalmanagement notwendig, da bereits die Personalselektion markenkonform gestaltet werden kann.

Je nach Kundennähe der entsprechenden Position variiert natürlich die Notwendigkeit des markenkonformen Verhaltens. So ist in einigen Bereichen bereits das Wissen um die Markenkompetenz ausreichend, weshalb auch intern eine zielgruppenspezifische Aufbereitung der Markenidentität besonders wichtig ist. Führungskräfte spielen hier als Vorbilder eine entscheidende Rolle, zumal sie auch direkt steuernd eingreifen können, sollten sich Mitarbeitende nicht markenkonform verhalten. Daher kann es hilfreich sein, konkrete Kriterien festzulegen, an die sich die Mitarbeitenden bestimmter Bereiche orientieren sollten.

Externe Kommunikation

Eine gelungene Markenpositionierung umfasst sämtliche zentralen Gründe, warum die eigene Marke der Konkurrenz vorgezogen werden sollte. Um diese wirksam zu kommunizieren, muss sie auf den ersten Blick erkennbar und von anderen unterscheidbar sein. Inhalte und Formalien müssen optimal in Einklang gebracht werden, um möglichst schnell und einfach von den Rezipierenden verarbeitet werden zu können.

Auch wenn in der klassischen Massenkommunikation das Involvement der Adressierten relativ gering ist, müssen diese einen gewissen Lernprozess durchlaufen. Dieser wird meist von Neugier oder intrinsischen Bedürfnissen angetrieben, was wir strategisch für uns nutzen können: Wir rücken den Nutzen der Marke zunächst in den Vordergrund, und leiten in Folge Nutzenhierarchien und ganze Argumentationsketten ab, die weitere Informationen zur Marke offenbaren. Auf diese Weise können gezielte Gefühlswelten kommuniziert werden, die enorme Auswirkungen auf die Wahrnehmung einer Marke haben: Ob innovativ und technisch-modern, oder sozial und freundschaftlich, – die selbst gewählte Tonalität der Unternehmenskommunikation kann einen gigantischen Unterschied machen.

5. Identifikation im rhetorischen System

Identifikation wird in der Rhetorik seit Kenneth Burke als Prozess und Zustand gleichermaßen wahrgenommen. Sie gilt als Leitmotiv der sogenannten New Rhetoric, wo sie der Herstellung von Übereinstimmung dient. Basis dieses Gedankens, ist Burkes Verständnis von Persuasion: Für ihn ist sämtliches menschliches Denken, Handeln und Fühlen von Motivstrukturen gesteuert. Allein durch die Beeinflussung dieser Strukturen, kann Persuasion gelingen. Entsprechend baut die neue Rhetorik nicht auf Agonalität (ein kämpferisches Gegeneinander) auf, sondern zielt auf die Angleichung von Handlungsmotiven. So hilft Identifikation beim Aufbau von sozialen Strukturen und ist sogar notwendig für das psychische Gleichgewicht des Menschen. Denn Identität entsteht zu großen Teilen durch Identifikation.

Wer sich also mit anderen oder etwas identifizieren kann, erkennt bestehende Prämissen (gr. éndoxa) an, teilt eine Meinung, ein Ziel oder ein Ideal. Das Spannende daran ist nun für die Rhetorik, dass sich Identifikationsprozesse einer systematischen Einordnung quasi gänzlich entziehen, da sie auf sämtlichen Ebenen und in allen Kommunikationsformen auftreten: Sie können performativ, sprachlich, argumentativ oder emotional befeuert werden und können unter Umständen die unterschiedlichsten psychologischen Prozesse beeinflussen.

Der Begriff <Identifikation> ist in der Rhetorik noch vergleichsweise neu. Erstmals reflektierten Aristoteles und Cicero die Idee zumindest implizit und Homer deutete an, dass Helena in der Odysee ihre Stimme verstellte, um so zu klingen wie die Gemahlinnen der Männer, zu denen sie sprach. Mit dieser Definition von Identifikation ging wiederum Freud d’accord, der Identifikation als Übernahme von bestehenden Verhaltensweisen definierte.

Bereits Cicero warnte jedoch davor, dass zu viel Identifikation eine Verwässerung der eigenen Identität zur Folge haben könnte. Diese Problematik zeigt sich beispielsweise in der Politik, wo sich Personen und Parteien immer wieder an aktuelle Gegebenheiten und Strömungen anpassen müssen, ohne jedoch ihre eigene Identität zu verlieren. 

6. History Management: Charakter zeigen, Tradition kommunizieren

Immer häufiger spricht man im Bereich Imagemanagement auch vom Teilbereich des sogenannten History Managements bzw. dem Traditionsmanagement. Das Ziel dieser Maßnahmen ist die ganzheitliche Einbindung der eigenen Historie in sämtliche Prozesse der Markenführung, explizit natürlich in der Kommunikation. Dafür gilt es zunächst die Wurzeln eines Unternehmens imagewirksam aufzubereiten. Das kann bedeuten, die Marke mit menschlichen Charakterzügen aufzuladen (z.B. die des Gründenden) oder Fotoaufnahmen und Zitate aus der Gründungszeit für Kampagnen zu nutzen. Damit liefern Sie Ihrer Kundschaft den Nachweis, dass diese Werte nicht nur kommuniziert, sondern tatsächlich kontinuierlich gelebt werden. Es entsteht quasi ein symbolischer Markenmehrwert für die Nutzenden, welche gleichbleibende Qualität mit Vertrauen belohnen. 

Aber natürlich nur, wenn die Unternehmenskommunikation als authentisch und aufrichtig wahrgenommen wird. Nun setzt kommunizierte Tradition quasi automatisch Authentizität frei, wenn anhaltende Qualitätsmaßstäbe anschaulich unter Beweis gestellt werden. Diese Authentizität weckt Vertrauen in Marken, welches bewiesenermaßen resistenter gegen Enttäuschungen ist, als durch klassisches Image Management generiertes Vertrauen. Das rührt daher, dass die Adressierten hier ein Identifikationsangebot bekommen, das überdauert. Sowohl Kund:innen als auch Mitarbeiter:innen wissen den so generierten emotionalen Mehrwert zu schätzen. 

Nach Luhmann ist Vertrauen nichts anderes als ein Mechanismus der Komplexitätsreduktion. Ganz nüchtern betrachtet entlasten wir also unsere Kundschaft mental, wenn wir ihnen durch ehrliches und transparente Unternehmenskommunikation eine Orientierung geben: Entscheidungsprozesse beschleunigen sich und das Täuschungsrisiko sinkt.

Vorsicht: Geschichte kann auch langweilig und trocken sein. Daher filtern wir sorgfältig, welche historischen Inhalte für die Zielgruppe überhaupt relevant sind. Bieten sie wirklich Anknüpfungspunkte an die Lebenswelt der Adressaten?

Zudem gilt es gründlich zu überlegen, welche Werte und Normen aus der Gründungszeit übernommen werden sollten und welche doch einer Modernisierung bedürfen: Lieber Innovation aus Tradition, anstatt einer im Alter träge gewordenen Marke, die in ihrer eigenen Historie erstarrt ist.

7. Fazit

Die größte Schwierigkeit beim Aufbau eines überzeugenden Markenimages ist zweifelsfrei der Umgang mit der Konkurrenz: Insbesondere seit der Digitalisierung steigt die Menge der auf uns einprasselnden Informationen von Tag zu Tag, sodass man beinahe von einer Inflation von Markenkommunikation sprechen kann. Es wird also immer schwieriger, als einzelnes Unternehmen die eigene Identität medienwirksam zu verbreiten und auf diese Weise tatsächlich noch Interesse zu wecken.

Umso wichtiger wird in Zukunft auch die interne Kommunikation des Markenimages, da persönliche Kommunikation (von Kund:innen mit Angestellten eines Unternehmens) immer mehr Bedeutung gewinnt, denn: Insbesondere in einer Welt, in der mehr und mehr zwischenmenschliche Prozesse ins Digitale auslagert werden, ist der persönliche Kontakt zu einem menschlichen Wesen mit Mimik und Moral unverzichtbar.

8. Quellen und Literaturempfehlungen

Esch, Franz-Rudolf et al.: Moderne Markenführung – Grundlagen – Innovative Ansätze – Praktische Umsetzungen. Wiesbaden, 2005 (4. Auflage).

Fischer, Franziska: Die Marke im Kontext ihrer Historie. In: Management von Geschichte. Der Einsatz von Tradition als wirkungsvolles Instrument in der Markenkommunikation. Diplomica Verlag, 2012. 33-54.

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