Gender-Rhetorik

Gendersprache im Duden:

Ein Durchbruch für die geschlechtergerechte Sprache?

Gendersprache im Duden:
Ein Durchbruch für die geschlechtergerechte Sprache?

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Der Online-Duden verabschiedet das generische Maskulinum und führt künftig eigene Einträge für männliche und weibliche Bezeichnungen. Welchen Einfluss das auf unsere Arbeit im Bereich des Corporate Writing hat und wie sich Unternehmen künftig sprachlich optimal präsentieren, um Ihrer Zielgruppe wertschätzend entgegenzutreten, klären wir im folgenden Artikel.

Februar 25, 2021

Written by Carina D. Bukenberger

Rhetorik M.A.

 1. Der Online-Duden gendert:  Was verändert sich konkret?

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Wer dachte, die geschlechtergerechte Sprache sei ein vorübergehender Trend der 2010er Jahre gewesen, wurde jetzt vom Duden eines Besseren belehrt: Bereits im Herbst 2020 begann die Duden-Redaktion mit der Überarbeitung des Online-Dudens und gab nun im Januar 2021 bekannt, dass bis Ende des Jahres alle 12.000 Berufs- und Personenbezeichnungen in der Online-Ausgabe gegendert werden sollen. 
Konkret bedeutet dies, dass in der Begriffsbeschreibung von männlichen Bezeichnungen künftig nur noch auf das männliche Geschlecht verwiesen wird, während für alle weiblichen Bezeichnungen eigene Einträge angelegt werden, anstatt dass – wie bisher – lediglich auf den männlichen Begriff verwiesen wird. 

Als einen der Gründe für diesen Schritt nannte die Duden-Chefredakteurin Kathrin Kunkel-Razum, dass mittlerweile selbst ganze Länder und Städte ihre Verwaltungsvorschriften geändert (bzw. gegendert) hätten, was für sie eine starke Aussagekraft habe. Ebenfalls ausschlaggebend sei auch die digitale Textsammlung der Redaktion gewesen, aus welcher in den vergangenen Jahren bereits ersichtlich wurde, dass das generische Maskulinum immer seltener Verwendung findet.

Ein Beispiel der geschlechtergerecht überarbeiteten Berufsbezeichnungen im Online-Duden:

 2. Welche Folgen hat der Gender-Duden für Textschaffende?

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Wie bereits Kunkel-Razum in ihren Äußerungen zur Duden-Überarbeitung 2021 betonte, sieht sich die Duden-Redaktion nicht als regulierende, sondern als beobachtende Instanz. Sie bilde lediglich die Sprachentwicklungen ab. Entsprechend muss sich durch die Überarbeitung des Dudens hin zur geschlechtergerechten Sprache in unserem Alltag rein gar nichts verändern. Auch an Schulen wird künftig im Deutschunterricht nicht anders gelehrt als bisher – zumindest nicht einzig wegen des überarbeiteten Online-Dudens.

Was wir jedoch bereits feststellen konnten, ist, dass selbst im privaten Bereich mehr und mehr Menschen dazu übergehen, geschlechtergerechte Formulierungen zu verwenden und Gender-Sonderzeichen als stimmlosen glottalen Plosiv auszusprechen.

Wie genau die Aussprache von Gendergap, Genderstern, Genderdoppelpunkt und Co. funktioniert, haben wir in diesem Blogbetrag bereits einmal zusammengefasst.

3. Harte Kritik: Manipuliert der neue Duden unsere Sprache?

Im Kampf um eine inklusive und geschlechtergerechte Sprache hat sich der Online-Duden durch die Überarbeitung nicht nur einen gewaltigen Vorsprung verschafft, sondern musste auch einige harte Kritik einstecken. Im Folgenden haben wir die Hauptkritikpunkte nochmal zusammengefasst.

„Der Gender-Duden manipuliert und verhunzt die deutsche Sprache!“

Auch, wenn sich mit dem Duden nun eine gewaltige Institution im Bereich Sprache und Lexik für das Gendern ausspricht, so heißt dies noch lange nicht, dass diese Art der Sprache künftig in Schulen gelehrt wird. Der Duden gibt keine fixen Normen vor. Selbst die Rechtschreibung wird nicht vom Duden festgelegt, sondern vom Rat für deutsche Rechtschreibung. Laut Duden-Chefredakteurin Kunkel-Razum sei es die Aufgabe des Dudens, die deutsche Sprache lediglich in ihrer Entwicklung zu beobachten und mit genau den Regeln abzubilden, die die Sprachgemeinschaft selbst im Laufe der Zeit für deren Gebrauch aufstellt.

„Der Verzicht auf das generische Maskulinum bringt eine sprachliche Zwangs-Sexualisierung mit sich!“

Der Vorwurf der Zwangs-Sexualisierung bezieht sich darauf, dass ohne generisches Maskulinum bei jedem einzelnen Sprechakt das Geschlecht der angesprochenen Person implizit thematisiert würde und die Sprechenden damit – unnötigerweise – häufiger vor der Frage stünden, welchem Geschlecht sich der oder die Rezipierende zugehörig fühle.

„Ohne generisches Maskulinum funktioniert die deutsche Sprache nicht mehr!“

Vielleicht korrekt. Doch das muss sie auch gar nicht – nicht einmal im Duden. Denn auch hier findet es in den Beispielen seinen Platz mit Redewendungen wie „zum Arzt gehen“ und „bis der Arzt kommt“. In dieser Form begrüßen zahlreiche Lexika auch weiterhin die Verwendung des generischen Maskulinums, sodass von einem Sprachverfall strenggenommen kaum die Rede sein kann.

„Personenbezeichnungen mit grammatisch maskulinem Geschlecht sagen nichts über das biologische Geschlecht einer Person aus!“

Dieser Punkt rekurriert auf die Annahme, dass das generische Maskulinum nicht auf das biologische Geschlecht abzielt, sondern schon immer Frauen in der Bedeutung eingeschlossen hätte. Hier wird häufig das Argument des althochdeutschen „man“ hervorgebracht, welches ursprünglich lediglich ein denkendes oder aufrecht gehendes Wesen bezeichnete. Die Gegenseite argumentiert hier mit dem Grundsatz „Sprache schafft Wirklichkeit“ und der Schlussfolgerung, dass Frauen durch Sprache in der Gesellschaft sichtbarer gemacht werden können.

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4. Die Anti-Gender-Petition des VDS: Ein Protest gegen Sprachdynamik?

Der Verein Deutscher Sprache e.V. startete im Januar 2021 eine Online-Petition gegen die Überarbeitung des Dudens. In den sozialen Medien lässt der Verein verlauten:

Der Verein Deutsche Sprache empfiehlt allen, die schnelle und umfassende Auskunft über den deutschen Wortschatz suchen, das Digitale Wörterbuch der Deutschen Sprache (DWDS) der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften. […] Dem inzwischen ideologisch geprägten Online-Duden ist es in jeder Hinsicht überlegen.“ (Verein Deutsche Sprache via Instagram, 22.02.2021)

Mit Aussagen wie diesen spricht der VDS seiner Zielgruppe aus dem Herzen. Zudem stärkt diese Kampagne die eigene Markenpositionierung bzw. treibt die Differenzierung zum klassischen Duden weiter voran. Marketingtechnisch also echt clever. Chapeau!

Und auch andere Institutionen werden vom VDS ins Visier genommen, wie dieser Instagram-Post des VDS vom 24.02.2021 zeigt. Hier hatte sich die Social Media-Abteilung der Tagesschau mit der Falschangabe, es würde bereits eine Vorgabe seitens des Rechtschreibrates vorliegen, gewissermaßen selbst in die Nesseln gesetzt.

Tatsächlich ist es hier nämlich so, wie der Verein Deutscher Sprache e.V. schreibt: Der Rechtschreibrat hat bislang noch keine fixe Empfehlung zur gendergerechten Sprache abgegeben. Zudem stammt die letzte offizielle Empfehlung des deutschen Rechtschreibrates zur „geschlechtergerechten Schreibung“ von 2018, als zugegebenermaßen im Bereich Gendersprache noch einiges im Argen lag:

„Die Beobachtung der geschriebenen Sprache zeigt […] neben verschiedenen grammatischen (Generisches Maskulinum, Passivkonstruktionen usw.) verschiedene orthographische Ausdrucksmittel wie Unterstrich (Gender-Gap), Asterisk (Gender-Stern) oder den Zusatz männlich, weiblich, divers (m, w, d) nach dem generischen Maskulinum. Diese entsprechen in unterschiedlichem Umfang den Kriterien für geschlechtergerechte Schreibung. […] Die Erprobungsphase verschiedener Bezeichnungen des dritten Geschlechts verläuft in den Ländern des deutschen Sprachraums unterschiedlich schnell und intensiv. Sie soll nicht durch vorzeitige Empfehlungen und Festlegungen des Rats für deutsche Rechtschreibung beeinflusst werden.“

→ PDF: Empfehlung des Rats für deutsche Rechtschreibung 2018

5. Welche Alternativen gibt es für Doppelnennungen und Gender-Sonderzeichen?

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Als Textschaffende sind wir – wie zahlreiche andere Autor:innen – permanent auf der Suche nach adäquaten Lösungen und Alternativen, um die geschlechtergerechte Ansprache aller Menschen möglichst elegant und wertschätzend zu gestalten, ohne dass die Lesbarkeit eines Textes oder die Verständlichkeit eines Vortrags darunter leidet. So können wir aktuell (Stand: Februar 2021) ebenso wenig eine klare Empfehlung zur geschlechtergerechten Schreibung aussprechen, wie der Rat für deutsche Rechtschreibung.

Es gibt jedoch durchaus einige kluge Köpfe in Deutschland, die sich bereits seit geraumer Zeit intensiv mit der Lösungsfindung befassen und einige vielversprechende Vorschläge hervorgebracht haben. Hier unsere beiden Favoriten:

6. Fazit

Auch, wenn viele der bisher genannten Kritikpunkte bereits durch diverse Sprachwissenschaftler:innen relativiert werden konnten, so bleibt doch ein Hindernis bestehen, das selbst feministisch geprägte Duden-Fans noch davon abhält, sich in Webtexten, Pressetexten, Infobriefen oder Anschreiben gänzlich dieser neuen Gendersprache hinzugeben:

Wenn beispielsweise in einer Stellenausschreibung aus „Lehrer (m/w/d)“ plötzlich „Lehrer“ und „Lehrerin“ werden, geht das kleine „d“ (für divers) verloren, sodass non-binäre Geschlechteridentitäten mit dieser Formulierung streng genommen nicht länger angesprochen werden. 

Gewissermaßen wäre dann jedoch auch „Lehrer (m/d) und Lehrerin (w/d)“ dann nicht mehr zu 100% stimmig, da nun beide Bezeichnungen – laut Duden – einem bestimmten Geschlecht zugeschrieben werden, wie die obige Beispielgrafik zu „Arzt“ und „Ärztin“ zeigt. Im Gegensatz dazu galt vor der Überarbeitung „Lehrer“ noch als Sammelbegriff für alle Personen, die diesem Beruf nachgehen. 
So könnte diese neue gendergerechte Duden-Sprache die Bezeichnung und Anrede von Menschen deutlich erschweren, die sich nicht als Teil des binären Geschlechtersystems sehen. Deshalb empfiehlt sich unserer Meinung nach für einige Texte nach wie vor die Verwendung von Gender-Sonderzeichen, wie etwa dem Gender-Doppelpunkt (Lehrer:innen), dem Gender-Sternchen (Lehrer*innen) oder dem Gender-Punkt (Lehrer.innen). Vom Gender-Schrägstrich (Lehrer/innen) raten wir hingegen aus ähnlichen Gründen ab, wie von der klassischen Doppelnennung: Er suggeriert, dass genau zwei Möglichkeiten zur Auswahl stehen, nämlich Lehrer oder Lehrerinnen. Auf diese Weise schließt der Gender-Schrägstrich – im Gegensatz zu anderen Sonderzeichen – ebenfalls non-binäre Geschlechteridentitäten aus.

Auch müssen wir festhalten, mit dem Gender-Duden immer noch kein Geheimrezept gefunden zu haben, das uns den inklusiven Umgang mit feststehenden Bezeichnungen wirklich erleichtert. Denn nach wie vor stellen uns Begriffe wie „Bürgermeisterkandidat“ regelmäßig vor die ein oder andere Herausforderung: „Bürgermeisterkandidatin“, „Bürgerinnenmeisterinkandidatin“ oder doch lieber die „Kandidatin für den Vorsitz der Einwohnendenverwaltung“?

Bis hierzu vom Rechtschreibrat in acht bis zehn Jahren die nächste offizielle Empfehlung veröffentlicht wird, erfreuen wir uns weiterhin an den Ideen von @elhotzo und Co.
Weitere kreative Vorschläge gern direkt an info@leonarto.de. 😉

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