Medienrhetorik
Zielgruppenmarketing
Die Rolle der Kundschaft in Marken- und Unternehmenskommunikation
1. Zielgruppenmarketing im digitalen Wandel
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Warum ich meine Kundschaft so gut kennen sollte wie mein Unternehmen
Egal ob Flohmarkt, Online Shop, stationärer Einzelhandel oder B2B, – Eines ist wohl jedem klar, der schon einmal versucht hat, etwas zu verkaufen: Kunde ist nicht gleich Kunde und jeder Einzelne wünscht sich das perfekte Produkt, natürlich optimal auf seine Bedürfnisse zugeschnitten. Und das wird er dort kaufen, wo er sich erkannt, verstanden und wertgeschätzt fühlt.
Genau deshalb ist der Aufbau einer zielgruppenspezifischen Datenbank als Basis für erfolgreiches Online Marketing so wichtig, ganz egal ob SEO, SEM oder Content Marketing. Zwar kann nun nicht zwangsläufig jedes Angebot individuell an eine potentielle Zielgruppe angepasst werden, doch die Kundenansprache sehr wohl. So kann es sich also durchaus lohnen, für unterschiedliche Zielgruppen auch unterschiedliche Landingpages aufzubauen (zum Beispiel für Neulinge in deiner Branche und „alte Hasen“) und die Texte entsprechend auszurichten.
Um die eigene Zielgruppe noch besser kennen zu lernen, wird kann die Methode des Split Testing angewandt werden: Hierbei testen wir verschiedene Varianten der Kundenansprache parallel, die sich häufig nur in einzelnen Feinheiten und sprachlichen Nuancen unterscheiden. Anschließend sollen mit Hilfe von Analyse-Tools statistisch signifikante Unterschiede im Besucherverhalten sichtbar gemacht werden. Auf dieser Basis wird dann eine gezielte Verbesserungen vorgenommen, anstatt weiter im Nebel zu stochern. Auf dieselbe Weise können auch Anmeldeformulare, Newsletter und Verkaufsabwicklungen getestet und solange optimiert werden, bis die Wahrscheinlichkeit einer tatsächlichen Konversion ihr absolutes Maximum erreicht hat.
Aus Gründen einer verbesserten Lesbarkeit wird in diesem Artikel das generische Maskulinum verwendet. Dies beinhaltet keinerlei Wertung und schließt sämtliche Geschlechteridentitäten mit ein.
2. Erste Schritte im Zielgruppenmarketing
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Um tatsächlich wirkungsvolle Kommunikationsstrategien zu entwickeln, die online wie offline zum durchschlagenden Marketinginstrument werden können, gilt es zunächst ein grobes Konzept auf Basis der Zielgruppenanalyse zu entwickeln. Zu diesem Zweck eignen sich die folgenden Fragen, um einen ersten Überblick zu gewinnen.
Wie tickt meine Zielgruppe?
- Aus welchem Umfeld stammen meine potentiellen Kunden?
- Sollte ich meine Kunden in mehrere Zielgruppen aufteilen?
- Was beschäftigt meine Kunden? Wovon träumen sie, was sind ihre Sorgen, was bewegt sie?
- Welche Anredeform ist angemessen? Ein vertrautes „Du“ oder ein eher distanzierendes, aber höfliches „Sie“?
- Welche medialen Kanäle sollten auf welche Weise, in welcher Frequenz, mit welcher Intension und welcher Intensität verwendet werden?
- In welcher Situation befinden sich die Adressaten, während sie mit meinem Angebot konfrontiert werden? Und inwiefern beeinflusst ihre Umgebung die Rezeption?
- Welche Emotionen empfinden meine Kunden im Moment der Kontaktaufnahme und welche Emotionen möchte ich mit meiner strategischen Kommunikation evozieren?
Wie erreiche ich meine Zielgruppe digital?
- Content Marketing: Corporate Blog, Newsletter, Info-Pages…
- Suchmaschinenmarketing & SEO: Suchmaschinenmarketing und SEO Conent Optimierung
- Social Media Marketing: Direkter Kontakt via Facebook, Instagram, Snapchat…
- Public Relations: Gewinnspiele, Aktionen, Aufrufe, Gutscheine…
Customers buy for their reasons, not yours.
Orvel Ray Wilson
3. Zielgruppendefinitionen nach Aristoteles
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Ist Zielgruppenmarketing nur eine Frage des Alters?
Eine gute Rede orientiert sich immer an ihrem Publikum. Das wusste bereits Aristoteles und widmete dem Thema der korrekten Zielgruppenansprache in seinem Lehrbuch mehrere Kapitel. Die Aristotelische Rhetorik gilt bis heute als eine der vollkommensten Theorien der Persuasion, die auf den Konzepten der philosophischen Rhetorik Platons fußt, aber auch sophistische Elemente miteinbezieht. In seinem zweiten Buch der Rhetorik unterschied Aristoteles drei Zielgruppen, die seiner Erfahrung nach unterschiedlich auf persuasive Annäherungen reagieren. Zwar ist diese grobe Charakterisierung nicht zuletzt aufgrund des medizinischen Fortschritts nicht mehr zu 100% zutreffend, doch kann sie uns als Basis dienen, um eine weitere Ausdifferenzierung vorzunehmen:
Gruppe I: Jugendliche, die ihrem Charakter nach zu Begierde disponiert sind und dazu neigen, das zu tun, wonach ihre Begierde tendiert. Nach Aristoteles begehren sie heftig, aber meist nicht lange. Sie sind leichtgläubig, weil sie bisher kaum bewusste Täuschungen erfahren haben.
Gruppe II: Menschen mittleren Alters, die sich auf der Höhe des Lebens befinden. Nach Aristoteles genießen sie die Vorzüge der Jugend und des Alters, ohne von den Nachteilen vereinnahmt zu werden. Sie sind weder zu vertrauensvoll, noch zu furchtsam.
Gruppe III: Ältere und die, die bereits ihre Blüte überschritten haben. Sie sind nach Aristoteles häufig zurecht aus Erfahrung misstrauisch und leben ihre Emotionen in eher reguliertem Maße aus.
In der heutigen Zeit stellen aber einige Marketing-Profis erschrocken fest: Die „Alten“ sind längst nicht mehr alt. Und Zeiten, in denen sich wehrlose Senioren von gerissenen Verkäufern einfach um den kleinen Finger wickeln ließen, gehören der Vergangenheit an: Heutige Senioren sind mindestens genauso informiert, kritisch und anspruchsvoll, wie die junge Generation. Noch dazu verfügen sie über jahrzehntelange Erfahrung in der Konsumentenrolle und kennen ihren Wert als finanzstärkste Zielgruppe: Rund 80% aller hochpreisigen PKW werden an Menschen über 50 verkauft. Und Experten mutmaßen, dass diese Zahl noch weiter ansteigen könnte, wenn das Marketing der Automobilindustrie endlich eine entsprechende Ausrichtung erfahren würde.
4. Fazit
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Generations- und zielgruppenübergreifendes Marketing ist eine besondere Herausforderung, die selbst von führenden Großunternehmen häufig unterschätzt wird. Der individuelle Charakter der eigenen Zielgruppe muss in sämtlichen Werbemaßnahmen Berücksichtigung finden, um ein in sich schlüssiges Image des Unternehmens zu kreieren. Dafür gilt es sämtliche Eigenschaften, Bedürfnisse und Vorlieben der potentiellen Kundschaft im antizipatorischen Adressatenkalkül zu erfassen und das kommunikative Angebot optimal daran auszurichten.
Möchte man die korrekte Zielgruppenansprache tatsächlich zu einer Frage des Alter machen, so sollte beachtet werden, dass sich grundsätzliche Erwartungen der verschiedenen Altersgruppen kaum mehr unterscheiden: Jugendliche und Senioren erwarten gleichermaßen eine hohe Servicequalität und Beratungskompetenz seitens der Unternehmen. Einzig bei den Rezeptionsweisen und ganz individuellen Bedürfnissen, können wir uns teilweise an bisherigen Richtwerten orientieren. Doch auch hier ist das gefühlte Alter der potentiellen Kunden gefragt, nicht das Geburtsjahr. Deshalb können wir uns mit (für unsere Ohren) peppig-jugendlichen Formulierungen genauso selbst ins Aus schießen, wie mit dem guten, alten Seniorenteller.
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Quellen und Literaturempfehlungen:
Aristoteles: Rhetorik. München, 1995. 5.Auflage. Übersetzt von F. G. Sieveke.
Bily, Thomas: Zielgruppe 50plus: Marketing im demografischen und digitalen Wandel: Neue Wachstumschancen im alternden Deutschland. Springer Gabler, 2019.
Braun, Nicolas; König, Josef: Einführung in das Studium des Aristoteles: Anhand einer Interpretation seiner Schrift über Rhetorik. Verlag Karl Alber, 2002.
Goffman, Erving: Rede-Weisen. Formen der Kommunikation in sozialen Situationen. Konstanz, 2005.
Häusel, Hans-Georg; Henzler, Harald: Buyer Personas: Wie man seine Zielgruppe erkennt und begeistert. Haufe Lexware, 2018.
Knape, Joachim (Hg.): Medienrhetorik. Tübingen, 2005.